Bewegungskunst, Sprache, Musik & Farbe

Der Eurythmie-Abschluss in Klasse 12

„Das Instrument der Bewegung, unser Körper, ist nicht der Lüge fähig“ - Emily Wagner

Nachdem ihnen der Eurythmie-Unterricht zwei Jahre lang unter Corona freigestellt war und die Proben durch Krankheitsfälle immer wieder unterbrochen waren, lieferten die Schülerinnen und Schüler der 12. Klasse eine gelungene und umfangreiche Aufführung ab. Ihre Eurythmie-Lehrerin Emily Wagner, die die Schüler bereits in der Unterstufe und dann wieder im vergangenen Schuljahr unterrichtet hatte, war ganz zufrieden: „Mehr Konzentration in den Proben wären gut gewesen, aber dafür konnte ich auf den letzten Metern noch beobachten, wie die Gemeinschaft gewachsen ist.“

Bevor die Schülerinnen und Schüler ihren Auftritt haben, erklärt ihre Lehrerin dem Publikum aus überwiegend Eltern, Verwandten und Interessierten, dass die Eurythmie eine junge Kunst sei, ca. 110 Jahre alt, die von den Schülern verschiedenes fordert: die Abstimmungen von Choreographie und Musik sowie untereinander mit den anderen Tänzern, es gilt auch die darzustellenden Rollen in ihrem Charakter und Bild zu erfassen und lautgestalterisch umzusetzen. Wagner zitiert in diesem Zusammenhang Marcel Marceau, den französischen Pantomimen, der einst, gefragt, was die Pantomime nicht darstellen könne mit „die Lüge“ antwortete. Das sei auch übertragbar auf die Bewegungskunst, denn „das Instrument der Bewegung, unser Körper, ist nicht der Lüge fähig. Im Grunde spüren das die Schüler und das ist nicht immer angenehm, weil ich mich hinter nichts verstecken kann“ folgert Wagner.

Die Eurythmie mag für manche ähnlich schwer begreiflich sein wie andere moderne Kunstformen; was ihr jedoch ganz besonders innewohnt ist das Potenzial, Unsichtbares spürbar oder empfindbar, ja sichtbar zu machen – gerade durch die ganz eigene Verbindung der Komponenten Sprache, Musik, Farbe und Bewegung. Die stimmungsvolle Musikbegleitung kam von Stella Klochkova am Flügel. Auf die Giga aus der Partitia No.1 von Bach folgte das Adagio sostenuto aus Beethovens Mondscheinsonate, welches die Schülerinnen und Schüler selbst für ihre Aufführung gewählt hatten. Die vier Szenen aus "Der kleine Prinz" von Antoine de Saint-Exupéry wurden, neben der von Schülern im Wechsel gesprochenen Erzählung, durch sanfte Klänge ebenfalls musikalisch untermalt. Darauf abgestimmt war auch die Beleuchtung, die ihren eigenen wichtigen Teil zu einem gelingenden Gesamtbild beiträgt. Unser Veranstaltungstechniker Jakobus Stützel, der diesen Teil der Farbe ins Spiel bringt, arrangiert die Beleuchtung jedes Mal ganz gezielt neu für die Eurythmie-Aufführungen. Licht und Farbigkeit spielen bei der Eurythmie eine zentrale Rolle, deshalb werden auch die Kostüme ganz passend zu den Musik- und Erzählstücken gewählt. Daran waren die 12.-Klässler ebenso beteiligt wie an der Entwicklung der Choreographien.

Was die 20 Schülerinnen und Schüler mitnehmen können aus diesem besonderen Abschluss ist vielschichtig. Zunächst die Erfahrung mit dem eigenen Körper in Beziehung zu unserer Empfindungsfähigkeit die durch die Musik und die Sprache mit ihren Bildern und Stimmungen angeregt und gepflegt wird. Dann natürlich auch die Selbstwahrnehmung, die durch das viele Üben immer wieder angestoßen wird, dann die Erfahrung in der Gruppe, die sich durch das gemeinsame Tun gegenseitig stärkt und daran wächst und das alles gipfelt im künstlerischen Prozess, der gleichsam wie das Üben auch die Aufführung benötigt, um sich vollständig zu entfalten. „Denn erst durch das Publikum ist die Sinnhaftigkeit der Eurythmie in ihrer Gänze gegeben“ fasst Emily Wagner zusammen. Die Schüler selbst sind mal mehr, mal weniger begeistert von diesem Unterrichtsfach, das war schon immer so. Umso schöner ist es, wenn nach der Aufführung die eigene Selbstwirksamkeit genossen werden kann. „Ich hätte nicht gedacht, dass Eurythmie auch so Spaß machen kann“ sagt Tristan Buergin mit einem Zwinkern nachdem der Vorhang gefallen und der Eurythmie-Abschluss absolviert ist.

Text: Julia Bantlin

Bilder: Michael Broszius

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