Alle verrückt in "Pension Schöller"?

Theaterstück der 12. Klasse

…und dann ein Auftritt von ‚Lady Gaga‘

Beim diesjährigen Theaterstück der 12. Klasse, das an drei Abenden im Georgensaal aufgeführt wurde, ging es bisweilen wild zu: Ein Weltreisender, der abenteuerliche Geschichten von der Löwenjagd berichtet, ein jähzorniger Major, der, wenn man ihm zu nahe tritt, gleich um sich zu schießen droht, eine sensationshungrige Schriftstellerin, die einem geradezu metertiefe Löcher in den Bauch fragt, ein ambitionierter Schauspieler mit markantem Sprachfehler, der ständig alle und jeden mit seinen Rezitationen überfällt, eine übereifrige Mutter, die dringend einen Schwiegersohn sucht, selbst vor Gewalt nicht zurückschreckt und nicht zuletzt ein getäuschter Onkel, der felsenfest glaubt, sich unter lauter Irren zu befinden, treffen in der Pension Schöller, so auch der Titel des Theaterstücks, aufeinander. Dass das alles ein wenig verrückt klingt, ist kein Zufall. Schließlich geht es in der heiteren Komödie gerade um diese Frage: Sind die Pensionsgäste im Hause Schöller Verrückte oder Normale? Oder vielleicht einfach ganz normale Verrückte? Die Antwort darauf zu finden, wird dem Zuschauer überlassen. Geklärt wird am Ende lediglich, dass es sich bei der Pension Schöller keineswegs um eine Irrenanstalt handelt, selbst wenn sich die dort zusammentreffende Gesellschaft mehr als nur ein wenig verrückt aufführt.

Die Freude am Spielen dieser kunterbunten Rollen war den Schülerinnen und Schülern sichtlich anzumerken. Schon beim Entscheidungsprozess, welches Stück gespielt werden sollte, waren sich alle einig, dass es in diesem Jahr eine Komödie sein musste. Zum einen, weil die Theaterstücke der letzten Jahre andere Genres bedienten, etwas Abwechslung also willkommen war, aber vor allem, weil die Schüler*innen nach der langen Lockdown-Phase ganz dringend etwas humorvolles, eher leichtes aufführen wollten, verrät Barbara Haußmann, die Tutorin der 12. Klasse. Dabei ist eine Komödie durchaus nicht unbedingt leichter zu spielen, erklärt Regisseur Irfan Kars, der selbst auch Schauspieler ist und das Stück seit Anfang Januar mit den Schülern einstudiert hat. Das war durch Corona natürlich nicht immer leicht, so konnten die ersten Proben beispielsweise gar nicht in der Schule stattfinden. Wie jeder andere Unterricht auch, musste alles online eingelesen, geübt und geprobt werden – „jeder für sich von zu Hause aus, das war eine große Herausforderung“, beschreibt Kars. Dann waren zunächst nur Kleingruppen-Proben jeden Montagnachmittag möglich, weil die Schüler sich jeden Montagmorgen testen lassen mussten. Endlich zusammen auf der großen Bühne geprobt wurde erst, als es immer mehr Lockerungen gab. „Da waren alle noch total dabei“, erinnert sich Kars. Dann jedoch sank die Motivation der Zwölftklässler auf einen Tiefpunkt, weil einige nicht daran glauben konnten, dass eine Aufführung unter Corona-Bedingungen überhaupt möglich sein würde. Zum Glück blieb ihr Regisseur optimistisch und konnte die Spielfreude der Schüler und Schülerinnen wieder wecken, wie das Ergebnis der Bemühungen eindrücklich bezeugte. Dass die Abend-Vorstellungen dann doch öffentlich stattfinden durften, hat den Darstellern nochmal einen erheblichen Motivationsschub verliehen. Bei der Premiere am Donnerstagvormittag, die ausschließlich vor den anderen Schulklassen der Freien Georgenschule aufgeführt wurde, sprühten die Schauspieler geradezu vor Energie, sodass das Publikum – regelmäßig an den entsprechenden Stellen – den Saal mit lautem Lachen erfüllte, der ja gar nicht voll besetzt sein durfte.  

Wirklich beeindruckend ist, dass die Schüler das neben dem stellenweise wechselnden Fern- und Präsenzunterricht alles in Eigenregie geplant haben. Unterstützt wurden sie bei der Umsetzung des drehbaren, dreiseitigen Bühnenbilds von Peter Vogel (Werklehrer), bei Kostümen und Maske von Andrea Petzold und Monika Gejer (Handarbeitslehrerinnen). In Corona-Zeiten ist es eine noch größere Herausforderung, so ein Theaterstück auf die Beine zu stellen als sonst, das ist allen Beteiligten klar geworden. Umso erstaunlicher war, dass die stellenweise sehr langen Texte alle sicher saßen und das Zusammenspiel der 12. Klasse so schwungvoll harmonierte. Dass die Schüler durch das Spiel herausgefordert werden, ist Teil der Pädagogik, dass sie an ihren Figuren wachsen können das ideale Ziel. Die vier durchweg gelungenen Aufführungen und auch die Tatsache, dass sie das Stück auf ganz eigene Weise modernisiert haben, zeigen, dass die Zwölftklässler dieses Ziel auch erreicht haben. Wenn der zeitgemäße Stadtlärm aus dem Off dringt, WhatsApps an Herrn Schöller hörbar ankommen und eine selbsternannte Vortragskünstlerin namens ‚Lady Gaga‘ den Pensionsgästen kein französisches Chanson, sondern den Song „Pokerface“ aufführt, zu dem alle Pensionsgäste wie losgelöst tanzen, wird offensichtlich, wie intensiv sich die Schüler mit dem Theaterstück auseinandergesetzt haben. Dies war der krönende Abschluss ihrer gemeinsamen Waldorfschulzeit, oder auf den Punkt gebracht mit Schillers Worten: „Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“.

 

Mit freundlicher Unterstützung der Kreissparkasse Reutlingen

Text: Julia Bantlin, Öffentlichkeitsarbeit

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